Montag, 29. April 2013

Mitgift, Soda, Verlobung

Am Samstag durften Jacki und ich spontan auf einer traditionellen Verlobung dabei sein. Erst einen Tag davor fragte uns unserer Arbeitskollegin Susan, ob wir sie nicht begleiten wollen. Ihr Bruder würde bald heiraten und nun sollten die Familien über die Mitgift beraten. Wir haben uns ie Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen!
So wurden wir Samstag nur mit zwei Stunden Verspätung von Susan und dem künftigen Bräutigam abgeholt. Der Rest der Familie sollte in drei anderen Autos aus deren rural home kommen. Etwa eine Stunde außerhalb von Nairobi in Thika machten wir einen Stopp, um einzukaufen. Erst da wurde mir klar, dass in Kenia die Familie des Mannes die Mitgift stellen muss.
Da Susan die einzige Tochter zwischen fünf Söhnen ist, fiel das Einkaufen ihr zu - beziehungsweise uns drei.
Von 6 kg Zucker und 5 l Saft über 200 Servierten ... unser Wagen wurde voller und voller und Jacki und ich waren mal wieder froh, dass in Kenia extra Tütenpacker angestellt sind und uns viel Arbeit abnahmen.
Mit dem nun etwas volleren Auto ging es noch einmal eine Stunde weiter raus in die rural Gebiete von Kenia. Sofort fühlte ich mich an Tansania erinnert, alles war unendlich grün, Bananenbäume umringten die erdigen Wege und alle Frauen waren in traditionellen Kangas gekleidet. Ein riesiger Unterschied zur Weltstadt Nairobi!
Kurz darauf hielten wir mitten im Nirgendwo an und trafen die anderen Autos. Susans Onkel, der anscheinend Familienoberhaupt war, hielt eine kurze Rede und sammelte dann von allen Geld ein. Jeder gab, je nachdem wieviel er hatte. Die Beträge lagen zwischen 200 /= (2€) und 7.000 /= (70€), Fakt ist, dass am Ende ganz schön viel zusammen kam! Ob sie alles ausgegeben haben, wissen nur die Ältesten und deren Mittelmänner (Dritte, die der Familie anwalttechnisch helfen zu verhandeln).
Weiter gings in den Bananenwald hinein, bis wir das rural home der zukünftigen Braut Mary erreichten. Der Anblick dort war fast etwas skurril: ländliche Wellblechhäuser, Kühe in selbstgebauten Ställen, Toiletten draußen hinter den Ställen .... und davor ca. 10 fette Autos! Town meets Village!
Direkt zu Beginn gab es ein riesiges Festmahl, das die Familie der Braut vorbereitet hat: Kartoffeln, Bohnen, Salat, Chapati, Hühner- und Rindfleisch und zum Nachtisch wurde Obst gereicht. Die Braut durfte übrigens nicht mit den anderen essen, denn noch war ja nicht klar, ob man sich einigen könne.
Als alle satt waren gab es eine Vorstellungsrunde - auch Jacki und ich mussten einige Worte sagen natürlich auf Suaheli, aber selbst das hat nicht jeder verstanden, da auf den rural homes oft nur die Stammessprache (hier kikuyu) gesprochen wird.
Nach den Vorstellungen, kam endlich Mary - die Braut -, denn es war Zeit für das traditionelle Sodatrinken. In diesem Fall muss erst der Bräutigam seiner Frau Soda (Cola/Fanta oder Sprite) zu trinken geben und dann umgekehrt. Wenn beide getrunken haben, müssen sie noch die Schwiegereltern mit Soda "füttern". So lustig es klingt, es ist ein traditioneller Brauch, der dafür steht, dass man sich gegenseitig versorgen wird.
Im Anschluss an das Sodaritual zogen sich die Ältesten und Mittelmänner für die Verhandlung zurück, die über eine Stunde dauerte. Singend kamen die Verhandler raus und zeigten damit, dass man sich geeinigt hatte - alle freuten sich, gratulierten dem Paar und sangen  :-)!
Da es dann schon 19:30 war und viele einen langen Heimweg hatten - nach Nairobi oder darüber hinaus - fuhren nach und nach alle zurück. Auch die Braut! Zitat von Susan: "of course she will go with us, after the dowry she belongs to our family". Klingt in deutschen Ohren hart, ist aber hier ganz normal und: Das Paar war schon seit über 5 Jahren glücklich zusammen, gezwungen wurde hier also niemand!

Rieseneinkauf

Die Sodatradition


Marys rural home

Sonntag, 28. April 2013

Tschüß Laptop - Hallo Handy

Liebe Blog- und Rundbriefleser
Seit Mittwoch bin ich leider laptoplos, was meine Kommunikation mit euch etwas erschwert..
Der "Tod" des Laptops war ein ärgerlicher Unfall. Da wir letzte Woche das Ferienprogramm in Rongai gemanaget haben und oft dort übernachten, nahm ich meinen Laptop mit, weil sich die Kinder immer unglaublich über Filme freuen. Ironischerweise wäre es das letzte Mal gewesen, dass ich ihn mitgeschleppt hätte, da sich eine der Hausmütter jetzt einen Fernseher plus Dvd-Player zugelegt hat..:-)
Ende der Geschichte war, dass eins meiner Kleinsten auf meinem Schoß saß und sich so sehr auf den Film gefreut hat, dass sie aufgesprungen ist und den Laptop mit runtergerissen hat. Ihre Schuld ist es ganz sicher nicht, ich hätte besser aufpassen müssen!

Ich glaube, es fällt mir hier in Kenia fiel leichter, die Tatsache zu akzeptieren. Natürlich hoffe ich, die Daten retten zu können, aber auch ohne Laptop geht es mir hier nicht schlechter!
Vielleicht weil ich durch mein Handy immernoch das wichtigste sehen kann.
Vielleicht weil ich auf dem Rückweg von Rongai an Kibera - dem größten Slum - vorbeigefahren bin und mir dachte, dass ich einfach Luxussorgen habe.
Vielleicht weil ein Arbeitskollege das Ganze mitbekam und nur meinte: "Don't be sad, its just a Laptop. Give God a smile otherwise you will stuck in your thoughts" und er Recht hat.

Oder vielleicht weil es keine andere Möglichkeit gab. Als ich abends in Rongai auf dem Sofa lag und zwei Mädchen auf meinem Bauch fast einschliefen oder als ich es war, die schon fast schlief und eine der Älteren - in deren Zimmer ich schlief - dachte ich schliefe schon und mich nochmal richtig zudeckte, bevor sie das Licht ausmachte ... da wurde mir einfach klar, dass das meine Mädchen sind und ich ihnen nie etwas übel nehmen könnte und meinen Laptop noch 100 Mal mitgeschleppt hätte, wenn sie mich gefragt hatten.

Letztendlich bin ich Laptoplos, kann aber über mein Handy - etwas schwerer aber immerhin - bloggen. Deswegen würde ich euch bitten, öfter hierreinzuschauen, als auf neue Rundbriefe zu warten und das auch weiterzuerzählen!
Vielen Dank im Vorraus :-)
Eure Jane

Freitag, 12. April 2013

Neue Homecups, neue Erfahrungen, neue Herausforderungen


In meinem letzten Rundbrief habe ich schon davon berichtet, wie wir mit unserer Social workerin auf den Straßen nach Mädchen gesucht haben. Bis heute haben mich diese Tage sehr bewegt..
Ich fahre täglich an einem riesigen Slum entlang, war selbst schon in Kibera, wie ihr vielleicht damals gelesen habt, und fand es unvorstellbar, unter was für Bedingungen manche Menschen hier leben. Viele der Kinder, die wir jetzt aufgenommen haben, kommen aber aus ganz anderen Verhältnissen. Wir haben nicht in den Slums nach Mädchen gesucht, wir sind an Rändern von Müllhalden vorbeigegangen, an kleinen Grasflächen hinter öffentlichen Toiletten oder neben schmutzigen Flüssen – Flächen, wo die Menschen, die keinen Platz haben, Platz finden.
Es war schwer für mich, die kleinen Menschengruppen zu sehen, die meisten mit einer Klebeflasche in der Hand auf durchweichten Kartons (Regenzeit ohne Haus..!) oder Säcken saßen. Ich traf mehrere Mädchen, die nicht einmal so alt waren wie ich und trotzdem schon selbst Kinder an der Hand hatten. An einer dieser Stellen trafen wir auch die Mutter von einem unserer Mädchen, das jetzt in Rongai lebt. In dem Moment wurde mir bewusst, was für eine Veränderung es doch für die Mädchen ist, die früher an solchen Plätzen im Regen geschlafen haben und jetzt eigene Betten haben und zur Schule gehen. Eine Veränderung, die es auch dieses Jahr wieder für zehn Mädchen geben wird.
Mittlerweile haben wir sieben neue Mädchen im PLCC – neue Homecups.
Eigentlich hätten wir schon Acht gehabt.. Aber das Mädchen, das wir als erstes gefunden haben, ist uns leider wieder abhandengekommen…Da das Mädchen selbst kein Haus hat und mit ihrem Vater auf einer der oben beschriebenen Stellen lebt, wurde der Vater dringend darum gebeten, sein Kind im Pangani House schlafen zu lassen. Der Vater, der die Kleine wirklich liebte und sie jeden Tag nicht nur morgens zum PLCC brachte sondern auch nachmittags wieder abholte (in dem Alter lassen die meisten Eltern ihre Kinder einfach selber laufen), hatte Angst, dass er sie an das PLCC verlieren würde… Alle Gespräche darüber, dass wir keine Adoptionen machen und einen engen Elternkontakt fördern wollen, halfen nichts, denn wir haben das Mädchen seit über einer Woche nicht mehr gesehen oder erreichen können.
Solche Momente machen mich traurig, weil ich das Mädchen ins Herz geschlossen habe und weiß, dass sie sich sehr auf die Schule gefreut hat. Ich weiß nicht, wo sie jetzt ist, aber ich bete, dass es ihr gut geht und es nachts nicht zu kalt ist.

Trotzdem gibt es natürlich auch schöne Neuigkeiten und zwar sieben Stück! Drei Mädchen fehlen noch, bis wir die jährlichen 10 Homecups zusammen haben, aber schon jetzt ist wieder ganz schön viel Leben im PLCC.  Den Medical Check Up und das Abrasieren der Haare haben sie schon hinter sich und vorgestern gab es neue Klamotten für alle
Und man kann beobachten, wie sie Tag für Tag etwas offener und sicherer werden. Am Anfang standen die Meisten nämlich noch sehr verloren in einer Ecke und flüsterten entweder höchstens schüchtern ihren Namen oder warfen uns ein „Usiniguse!“ (Fass mich nicht an!) entgegen.

Mittlerweile verstehe ich die Aussage meiner Arbeitskollegin „Streetchildren are rough“, aber was soll man von einem Kind erwarten, das in einem Haus abgestellt wird, ohne seine Eltern, dafür mit zwei „komischen Weißen“. :-)
Natürlich ist jedes Kind unglaublich individuell, aber gerade zwischen den Straßenmädchen und denen, die im Slum wohnen, kann man momentan starke Unterschiede ausmachen, was Höflichkeit und allgemeines Verhalten angeht. Und generell gibt es kleine Dinge, die einen plötzlich auffallen. Zum Beispiel, dass die Meisten am Anfang alle halbe Stunde auf Klo gegangen sind – einfach weil sie es plötzlich können, ohne dafür zu bezahlen.

Wie gesagt: Jeder Tag ist anders, jeder Tag bringt Veränderungen. Gestern hat sich die erste getraut, meine Haare zu flechten und heute hat eine der Kleinen zum ersten Mal meine Hand genommen. Und wenn wir ihnen Bälle oder Stifte geben, wirkt plötzlich keines der Mädchen mehr schüchtern!
Ich bin wirklich sehr gespannt auf Alles, was jetzt kommt. Darauf wie die nächste Zeit mit ihnen wird und wie die drei, auf die wir noch warten, sich in die Gruppe einfinden. 

Ostertage in Kenia


Als sich die Hausmütter aus Ongata Rongai beim letzten Teammeeting erkundigten, ob sie etwas mehr Geld haben könnten, um Ostern etwas Anderes als die täglichen Gerichte kochen zu können, wurde uns klar, dass es an den Feiertagen fast gar nichts Besonderes geplant war.
Zu Weihnachten gibt es jedes Jahr eine große Weihnachtsfeier mit Buffet, Kuchen und Spielen, aber Ostern wurde irgendwie übersehen. Das hängt wohl damit zusammen, dass Ostern in Kenia generell nicht so groß gefeiert wird.  Zwar sind Good Friday und Eastermonday auch hier Feiertag und natürlich gibt es am Ostersonntag einen Gottesdienst, aber eben auch nur einen – wie an jedem anderen Sonntag.
Doch da wir eine kirchliche Organisation sind, ist es schon ein bisschen schade, dass die Bedeutung von Ostern gar nicht so hervorgehoben wird. Jacki und ich entschlossen uns deswegen, unsere Ostertage mit den Kindern zu verbringen!

Das begann mit einem Eiermarathon! Während Jacki und ihre Besucher (über Ostern waren Jackis Schwester, ihre beste Freundin und deren Vater bei uns zu Gast) auf Safari waren, kochte und färbte ich über 60 Eier. Ich glaube, ich habe die gesamten Dukas (sehr kleine privat geführte Läden) in unserer Straße ausgekauft und bekam jedes Mal einen etwas irritierten Blick, wenn ich „alle Eier, die Sie haben“ verlangte. Jacki backte abends noch zwei Kuchen und die Besucher hatten noch kleine Schokoeier aus Deutschland dabei, so dass wir uns Sonntagmorgen vollgepackt auf den Weg machten – zum Glück mit Marys Auto. Denn Ostern ohne Gottesdienst zu starten, war für Jacki und mich undenkbar und so schleppten wir alle in die Kirche. Da fanden wir heraus, dass auch der amerikanische Pastor Mike mit seiner Frau, die ehrenamtlich im PLCC mithilft, später mit Saft und Muffins nach Rongai rausfahren würden, was uns gerade für unsere Mädchen sehr freute.

Und genau die freuten sich mindestens genauso, als sie uns schließlich kommen sahen und brachen in ein unglaubliches Wilkommensgeschrei aus. Nach einem wirklich leckerem Ostermittag – Pilau sogar mit Fleisch – und einigen Tänzen und Liedern der Mädchen für die Gäste, ging es dann ans Verstecken, denn Ostereier muss man sich nun mal verdienen!

Ostermittag Pilau


Eierverstecken im Green House

"Gefunden" :-)




Die Mädchen suchten häuserweise, sodass immer nur 12 auf einmal auf der Suche waren, während die anderen draußen warteten und für die glücklichen Finder applaudierten  Zu finden gab es für Jede ein echtes und ein kleines Schokoei und es war unglaublich schön mitanzusehen, wie sehr sich die Kinder freuten! Noch heute - 2 Wochen später - reden sie von dem Eiersuchen und den bunten Eiern - es war einfwirklich toller Tag, auch für uns!





Große Suche im Orange House

Die Schlage für ein kleines Kuchenstück (alle Bilder von Jacki, dankeschön :-))


Ostermontag fuhren wir dann ins Pangani House, denn da leben momentan sieben ältere Mädchen, die über Rongai leider vergessen werden. Doch nicht bei uns J
Mit Schokoeiern, Muffins und Pudding in den Armen wurden wir sehr lieb begrüßt und die Mädchen waren ganz begeistert dabei, den Pudding selber zu machen und anschließend mit uns zu essen.

Für manche mag es komisch klingen, dass wir an den Wochenenden und Feiertagen trotzdem oft bei den Kindern sind, aber wenn sie einem jedes Mal strahlend den ganzen Weg entgegenlaufe, uns umarmen und sich streiten, wer unsere Hand nehmen darf, wissen wir immer: So und nicht anders, es sind halt unsere Kinder.